Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit
I. Volkswirtschaftslehre:1. Begriff: Fehlende Beschäftigungsmöglichkeit für einen Teil der arbeitsfähigen und beim herrschenden Lohnniveau arbeitsbereiten Arbeitnehmer. Ursache für diese sog. unfreiwillige A. ist ein gesamtwirtschaftliches, sektorales oder regionales Beschäftigungsdefizit. Bei stark steigendem  Erwerbspersonenpotenzial kann auch ein Angebotsüberschuss auf dem  Arbeitsmarkt ursächlich sein.
- 2. Erfassung: Voraussetzung für eine Erfassung in der amtlichen Statistik der  Bundesagentur für Arbeit (BA) ist eine Meldung bei der Agentur für Arbeit (Arbeitsamt). Registrierung, Beiträge zur BA und Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung ( Arbeitsmarktpolitik) sind Voraussetzungen für den Bezug von  Arbeitslosengeld oder – bei Bedürftigkeit –  Arbeitslosenhilfe (aus Bundesmitteln).
- 3. Arten: a) Saisonale A.: Saisonale A. entsteht, wenn Produktion und Nachfrage stark von der Jahreszeit abhängen. Dabei können sowohl biologische, klimatische, verhaltens- und institutionell bedingte Faktoren Unstetigkeiten in der Produktion und der Nachfrage verursachen.
- Beispiele: Wetter für Baugewerbe, verhaltensbedingte zeitliche Nachfrageballungen für bestimmte Dienstleistungen (Weihnachtsgeschäft etc.).
- Das Ausmaß saisonaler A. hängt somit zum einen vom Umfang der von ihr betroffenen Branchen, zum anderen aber auch davon ab, inwieweit es gelingt, durch den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente (z.B. Wintergeld und Winterausfallgeld) das Entstehen saisonaler A. zu verhindern oder bei eingetretener A. durch Vermittlungsaktivitäten befristete Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Branchen zu erschließen. Insgesamt ist die saisonale A. eher kurzzeitiger Natur, so dass ihr „Schweregrad“ eher gering ist.
- b) Friktionelle A.: Die friktionelle A. hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: (1) Arbeitsplatzwechselvorgängen (Fluktuation), wenn Beendigung der alten und Beginn der neuen Tätigkeit zeitlich auseinander fallen. Die Beurteilung des „Schweregrades“ der friktionellen A. hängt davon ab, von welcher Seite des Arbeitsmarktes der Anstoß zum Arbeitsplatzwechsel ausging. (2) Suchdauer: Informationen über den neuen Arbeitsplatz, Bewerbungen, Vorstellungen, Eignungstests, ggfs. Wohnortwechsel erfordern Zeit und führen dadurch zu einer sog. „Sucharbeitslosigkeit“. Diese kann u.U. noch durch eine sog. „Mismatch-Arbeitslosigkeit“ verstärkt werden, wenn es aufgrund von objektiven, subjektiven oder organisatorisch-institutionellen Faktoren bei den an der Vermittlung beteiligten Gruppen zu verlängerter A. kommt. Das Ausmaß der friktionellen A. wird also insgesamt durch den Umfang der Fluktuation und den Zeitbedarf zwischen der Aufgabe des alten und der Annahme des neuen Arbeitsplatzes bestimmt.
- c) Niveaubedingte A. (u.a. Niveau-Arbeitslosigkeit): Diejenige, die durch die Differenz im Niveau von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt entsteht und auf einen Mangel an Arbeitsplätzen im technischen Sinn oder einen Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten zurückzuführen ist. Sie verteilt sich weitgehend gleichmäßig auf die verschiedenen Sektoren, Regionen und Berufsgruppen. Zur Erklärung der niveaubedingten A. stehen sich zwei Theorien kontrovers gegenüber: (1) Die Keynesianer sehen die Ursache für diese A. in einem allgemeinen Nachfragemangel auf den Gütermärkten, der in einem konjunkturellen Rückgang der einzelnen Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, also des Bruttoinlandsproduktes, begründet und damit vorübergehend sein kann (konjunkturelle A.). Er kann aber auch durch längerfristige Nachfragedefizite gekennzeichnet sein (wachstumsdefizitäre A.), deren Ursachen z.B. in einem anhaltenden Anstieg der Sparquote oder einer bei abnehmender Produktinnovation zunehmenden Marktsättigung liegen können. (2) Die Neoklassiker ( Monetarismus) führen die niveaubedingte A. allein darauf zurück, dass der bestehende Reallohn höher als der Vollbeschäftigungs-Reallohn ist mit der Folge eines Angebotsüberhanges auf dem Arbeitsmarkt (klassische A.). Die Ursachen liegen nach diesen Vorstellungen in einem zu hohen und zu inflexiblen Lohnniveau bzw. allgemein in zu ungünstigen Produktions- und Investitionsbedingungen. Die entscheidende Rolle für die Bekämpfung der niveaubedingten A. liegt nach keynesianischer Auffassung bes. bei der Regierung und der von ihr unabhängigen Bundesbank bzw. seit 1999 Europäischen Zentralbank, die mit ihren fiskal- und geldpolitischen Instrumenten die Voraussetzungen für einen kurz- bzw. längerfristigen Anstieg von Produktion und Beschäftigung schaffen können, nach Auffassung der Neoklassiker bei den Tarifparteien hinsichtlich der Realisierung eines vollbeschäftigungskonformen Reallohnniveaus.
- d) Strukturelle A. (Struktur-Arbeitslosigkeit): Strukturelle A. liegt vor, wenn Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt deshalb nicht zusammenpassen, weil beide Seiten des Arbeitsmarktes bez. vermittlungsrelevanter Merkmale wie z.B. Alter, Qualifikation, Gesundheit unterschiedlich zusammengesetzt (strukturiert) sind. Für die Höhe der strukturellen A. ist demnach maßgebend, wodurch und in welchem Tempo sich die Struktur der Arbeitskräftenachfrage und des Arbeitskräfteangebots auseinander entwickeln. Maßgebliche Faktoren für die Veränderung der Struktur der Nachfrage nach Arbeitskräften sind v.a. (1) Struktur der Güternachfrage; diese verändert sich v.a. in sektoraler Hinsicht. In der sog. „Drei-Sektoren-Hypothese“ wird der in der Vergangenheit beobachtete Strukturwandel dahingehend interpretiert, dass auch in Zukunft die Wertschöpfungs- und Beschäftigungsanteile des primären Sektors (Land- und Forstwirtschaft) sowie des sekundären Sektors (Verarbeitendes Gewerbe) abnehmen und die entsprechenden Anteile des tertiären Sektors zunehmen. Eine weitere Ursache für den Strukturwandel in der Güternachfrage resultiert aus der Globalisierung der Wirtschaft und der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung. Dieser führt zu einem ständig zunehmenden Warenaustausch zwischen den Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern. Aufgrund der unterschiedlich hohen Kosten für die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital kommt es zu einer Verlagerung der Produktion arbeitsintensiver Produkte in Länder mit niedrigem Lohnniveau (Entwicklungs- und Schwellenländer), während sich die Industrieländer verstärkt auf kapitalintensive Produkte konzentrieren, die wiederum einen verstärkten Einsatz von qualifizierten Arbeitskräften erforderlich machen. Mit dieser Strukturänderung der Güternachfrage ändert sich somit die Qualifikationsstruktur der Arbeitskräftenachfrage. (2)  Technischer Fortschritt; dieser verändert die Nachfrage nach Arbeitskräften auf doppelte Weise: Zum einen führt er über Produktinnovationen zu neuen Gütern und steigender Güternachfrage, zum anderen trägt er über Prozessinnovationen zu einer unterschiedlich starken Beschleunigung der Arbeitsproduktivität bei. Verzögerungen in der gegenseitigen Anpassung der Angebots- und der Nachfragestrukturen werden durch die Strukturanalysen der Arbeitslosen und offenen Stellen belegt. Die Streuung der Arbeitslosenquoten bei wichtigen Strukturmerkmalen (z.B. Region, Qualifikation, Beruf) ist ein Maß für die „Segmentierung“ des Arbeitsmarktes und damit für die Höhe der strukturellen A. Ein verstärkter und differenzierter Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ( Arbeitsmarktpolitik) ist erforderlich. Dies gilt bes. für Langzeit-Arbeitslosigkeit bei bestimmten Personengruppen.
- e) Strukturelle und friktionelle A. sind eine Begleiterscheinung dynamischer Volkswirtschaften. Solche „unvermeidbare“ A. wird nach riedman, dem Hauptvertreter des Monetarismus, auch als natürliche Arbeitslosigkeit bezeichnet.
- 3. Kosten: Durch die direkten Zahlungen von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie durch die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung der Leistungsempfänger entstehen die direkten Kosten der A. Auch Arbeitslose ohne Leistungsansprüche verursachen Ausgaben für Sozialhilfe und Wohngeld. Zu diesen direkten Kosten werden die Ausfälle an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen gerechnet, die durch die Nicht-Arbeit von Arbeitslosen entstehen. Von der Bundesagentur für Arbeit werden die durchschnittlichen jährlichen Kosten eines Arbeitslosen auf rund 18.000 Euro geschätzt.
II. Sozialrecht:Personengruppe der  Arbeitslosen, die als  Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder nur eine geringfügige Beschäftigung ausüben und deshalb eine Arbeitsstelle suchen, auch wenn sie Auszubildende oder Heimarbeiter sind. A. ist Leistungsvoraussetzung für  Arbeitslosengeld und  Arbeitslosenhilfe. Literatursuche zu "Arbeitslosigkeit" auf www.gabler.de

Lexikon der Economics. 2013.

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